E-Bike fahren: Wie sich ein Auto-Fan auf dem E-Bike fühlt - ein gelungenes Experiment
"Das ist ja doch ein bisschen anstrengend!"

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„Das ist doch nur für Omas und Opas!“ und „Da kauf ich mir lieber einen Roller.“ Kann E-Bike fahren überhaupt Spaß machen? Roman Domes ist Volontär bei "sport auto", dem Sportwagen-Magazin der Motor Presse Stuttgart. Eine Station absolviert er in der ElektroBIKE-Redaktion. Hier tauscht der passionierte Autofahrer sein Baby auf vier Rädern gegen ein E-Bike. Und das auch noch im späten Herbst. Geht das gut? Ein Erfahrungsbericht.

UB Roman Domes Tausche sport auto gegen E-Bike
Foto: ElektroBIKE

Schutzbleche sind was für Weicheier. Das rede ich, der Autofan, mir ein, als ich das Conway EMR-827 aus der ElektroBIKE-Werkstatt schleife. Ein richtiges Mountainbike, ob E-Motor und Akku relativ schwer (21,5 Kilo), mit wuchtigen Schwalbe-Reifen und Fox-Float-Federgabel am Vorderrad. Der Alu-Rahmen glänzt in anthrazit-silber, orangene Akzente funkeln mir an Felgen und Rahmenschutz entgegen. Was ein geiles Bike! Kein Wunder, dass das 827er den „Red Dot-Award“ für besonders gelungenes Design gewonnen hat.

Erste E-Fahrversuche auf einem "Red Dot-Award"-Gewinner

Meine ersten Fahrversuche mit einem Elektro-Fahrrad finden nicht auf einem x-beliebigen Tourenrad statt. Ich gönne mir das 3.399 Euro teure Conway, ausgestattet mit 250 Watt starkem Bosch Performance-Mittelmotor. Das E-Mountainbike kann sowohl Onroad als auch Offroad, ein echter Allrounder, das SUV der Elektroräder. Klingt interessant – aber wie fährt sich das eigentlich?

Also Sattel einstellen, aufsitzen, Antrieb per Monitor am Lenker aktivieren und ganz normal losfahren, wie bei einem ganz normalen Fahrrad. Dabei steht der Motor auf „Eco“, das bedeutet, der elektrische Antrieb unterstützt nur minimal, dafür hält der Akku länger. Als weitere Modi stehen „Tour“, „Sport“ und „Turbo“ zur Verfügung.

Im „Turbo“-Modus puscht der E-Motor mit maximaler Leistung, und das Conway fährt (fast) von alleine. Ein, zwei Mal ordentlich an der Ampel in die Pedale treten, dem hochfrequenten Sirren des E-Motors nach jedem Schaltvorgang des Shimano Deore XT-Getriebe lauschen, und zack - der Tacho zeigt 30 km/h. Da guckt der Audi-Fahrer schon mal ungläubig hinterher – zumindest die ersten paar Meter. Bei 25 km/h stellt der Bosch-Antrieb die Hilfe ein und ich kann nur noch per Muskelkraft beschleunigen.

Aufgewärmt ins Büro, oder in den Feierabend

Etwa 90 Prozent meines 19 Kilometer langen Wegs zur ElektroBIKE-Redaktion in Leonberg cruise ich im „Tour“- oder „Eco“-Modus durch die Straßen von Stuttgart-Feuerbach und über Feldwege in Weilimdorf und Gerlingen. Nur an steilen Teilstücken (auf meiner Tour geht’s knapp 220 Höhenmeter aufwärts) schalte ich auf Sport oder Turbo. Im Eco-Modus wird meine Beinmuskulatur noch ansatzweise belastet, und ich komme selbst bei zwei Grad Außentemperatur aufgewärmt ins Büro. Oder zufrieden nach Hause, weil ich mich bewegt habe. Zwar nicht alleine, aber allemal besser als mit dem Auto im Stau zu stehen. Ich stehe eigentlich nur an Ampeln, aber sobald sie wieder auf Grün schaltet kann ich wieder voll beschleunigen.

Da macht das E-Biken und die Power des E-Motors am meisten Spaß - und im Feierabend-Verkehr. Passagen mit vielen Ampeln sind dann ein Garant für zähfließenden Verbrennungsmotor-Verkehr. Hier surre ich mit dem Conway E-Bike mit gemütlichen 30 km/h an den Autofahrern vorbei. Die ärgern sich, jeden Tag erneut in Schrittgeschwindigkeit den Stuttgarter Kesselrand zu erklimmen. Normalerweise gehöre ich da auch dazu. Jetzt nicht mehr. Schön.

Das E-Bike hat die gleichen Nachteile wie ein normales Rad

Nicht so schön: Überleben ist auch mit einem E-Bike oft Glückssache. In den ersten beiden Tagen wurde ich vier Mal beinahe abgeräumt. Abgeräumt von Autofahrern, die ihre Spiegel nur zur Zierde am Fahrzeug haben, und ihren Kopf nicht drehen können. An mangelnder Sichtbarkeit meinerseits kann es kaum gelegen haben: Giftgrüne Reflektor-Jacke, LED-Lichter vorne und hinten. Die einzige Möglichkeit, besser gesehen zu werden, wäre wohl als übermäßig geschmückter, wild blinkender Weihnachtsbaum in die Pedale zu treten.

E-Bike fahren fühlt sich an wie Fahrrad fahren. Nur leichter, schneller (zumindest bergauf) und irgendwie cooler. Vorbei die Zeiten, als ich komplett durchgeschwitzt von der Berg-Etappe ins Büro stolperte. Nicht falsch verstehen: Radeln mit E-Unterstützung darf nicht mit Roller fahren verglichen werden. E-Biken fordert trotz E-Motor eine gewisse Beinarbeit - von alleine fährt auch mein Conway E-Mountainbike nicht.

Aber wenn ich mit Schmackes anfahre, und die hohe Geschwindigkeit beibehalten kann, nicht im Stau stehe, mich bewege, frische Luft schmecke, und innerstädtisch genauso schnell unterwegs bin wie mit einem Sportwagen, dann denke ich mir: Sollte ich nicht lieber auf ein E-Bike sparen als auf ein neues Auto? Billiger wäre es auf jeden Fall, auch wenn vielleicht noch einige Euro für einen Gepäckträger und einen Satz Schutzbleche draufkommen würden. Ich bin ja (noch) ein vom Automobil verwöhntes Weichei.

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