Specialized Turbo Levo SL (2020)
Neu: Superleichtes Specialized E-MTB - Infos, Bilder, erster Test

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Je nach Modell nur knapp 17 Kilo schwer, mit kleinem, von Specialized entwickeltem Motor sowie Mini-Akku – das neue E-MTB-All-Mountain Specialized Turbo Levo SL schlägt die Brücke zwischen klassischem Trailbike und „Full-Size“-E-MTB. Infos, Bilder, erster Test.

Neu: Superleichtes Specialized E-MTB - Infos, Bilder, erster Test
Foto: Etienne Schoeman / Specialized

„Mit dem Turbo Levo SL geht für mich ein Traum in Erfüllung“, so Jan Talavasek, Chef-Entwickler der E-Bike-Sparte von Specialized. Und wenn einer der profiliertesten MTB-Ingenieure der letzten zwanzig Jahre das sagt, dürfte es sich um kein alltägliches Rad drehen. Das Specialized Turbo Levo SL ist ab sofort nicht nur das wohl leichteste Serien-E-Fully der Welt, es kreiert auch eine neue Kategorie, ist Zwitter zwischen rein muskelbetriebenem All-Mountain und properem E-Mountainbike.

Kurz & Knapp: Das ist das Specialized Turbo Levo SL

- neu entwickelter Motor mit 240 Watt und 35 Nm Power

- Leichtgewicht: Modelle unter 20 kg verfügbar

- moderne Geometrie mit 150-mm-Fahrwerk

- Preise: 5.999-14.999 Euro

In einigen Zahlen ausgedrückt: Mit etwas mehr als 17 Kilo wiegt die teure „S-Works“-Version des Levo SL circa vier Kilo weniger als die vergleichbare Variante des normalen Levo und ist damit für E-MTB-Verhältnisse ein wahres Federgewicht. Der „Bio-Bruder“ Stumpjumper kommt wiederum auf knapp über 13 Kilo, ebenso vier Kilo weniger. Motorseitig geht es auf den ersten Blick so weiter. Bietet das Stumpjumper – logo – null Extraschub, so unterstützt das Levo seinen Rider mit 530 Watt und 90 Newtonmeter Maximalleistung, beim Levo SL jedoch nur mit 240 Watt und 35 Nm Peak-Power. Die Federwege und Großteile der Geometrie teilen sich die drei Geschwister hingegen. Und damit auch den Einsatzbereich: Mit 150-mm-Fahrwerk und einer modernen, aber gemäßigten Geo soll sich das Gros der Touren- und Trail-Fans des MTB-Planeten angesprochen fühlen.

Herzstück des Specialized Turbo Levo SL ist der, von der Specialized-E-Bike-Niederlassung in der Schweiz selbst entwickelte „SL-1.1“-Motor, der mit etwas anderer Software auch im E-Rennrad Specialized Creo werkelt. Mit einem Gewicht von nur 1950 Gramm wiegt er nur knapp die Hälfte eines „normalen“ E-MTB-Motors. Auch zum sehr leichten Motor im herkömmlichen Turbo Levo (ohne SL) spart er rund 1100 Gramm ein, im Vergleich zum bekannten „Leichtmotor“ Fazua Evation sind es ebenfalls fast ein Kilo. Aber nicht nur an Gewicht geizt der neue Antrieb unter anderem dank Magnesiumgehäuse massiv, er fällt auch äußerst kompakt aus. So klein, dass Specialized die Kettenstreben am Levo SL genauso kurz zeichnen konnte wie am Stumpjumper! Gebaut wird der Motor übrigens vom deutschen Automobilzulieferer Mahle mit Sitz in Stuttgart. Aufgrund der Entwicklungsarbeit von Talavasek & Co. wird der Motor jedoch für fünf Jahre exklusiv nur für Specialized gefertigt.

Apropos Talavasek und der Traum seines Teams: Vom Beginn ihrer E-Bike-Entwicklung (die startete vor rund zehn Jahren), stand für die Specialized-Ingenieure fest, dass sich ein E-MTB „natürlich“ fahren muss. Also so nah dran am Muskel-Bike wie nur möglich. Bereits mit dem großen Levo ist Specialized das so gut gelungen, wie kaum einem anderen Hersteller. „Wir haben aber seit Jahren davon geträumt, ein wirklich leichtes E-MTB mit einem entsprechend agilen Handling zu bauen – es war nur mangels passenden Motors nie machbar. Dank der Erfahrung mit dem Levo waren wir jetzt in der Lage, den Motor einfach selbst zu entwickeln“, so Talavasek.

Und nicht nur in Sachen Motor, auch beim Akku geht Specialized eigene, ungewöhnliche Wege. So hat die integrierte, aber mit etwas Aufwand herausnehmbare Batterie vergleichsweise mickrige 320 Wattstunden. Da der SL-Motor aber extrem effizient arbeitet (und nun mal weniger Leistung bereitstellt), verspricht Specialized, dass die Reichweite die dem großen Levo exakt gleicht. Wer noch weiter hinaus will, hat zudem die Möglichkeit, einen rund 1000 Gramm schweren Zusatzakku („Range Extender“) mit 160 Wh in den Flaschenhalter zu platzieren und somit die Reichweite auf 150 Prozent zu steigern. Bei den beiden Topmodellen liefert Specialized einen bzw. zwei Zusatzakkus mit, der Range Extender ist aber auch für 450 US-Dollar einzeln erhältlich. Der Euro-Preis dürfte ähnlich ausfallen

Preise und Verfügbarkeit

Stichwort Preise: Es wird fünf Modelle des Specialized Turbo Levo SL geben. Die sündteure Spitze bildet die auf 250 Stück limitierte und 14 999(!) Euro teure „Founder’s Edition“. Das eigentliche Serien-Topmodell ist das auch von uns getestete S-Works Levo SL für 12 999 Euro mit einem Gewicht von 17,35 Kilo in Größe L laut Hersteller. Dazu gibt es das Levo SL Expert (8699 Euro), das Levo SL Comp Carbon (7299 Euro) sowie das Levo SL Comp für 5999 Euro. Letzteres hat als einziges Modell einen Alu-Rahmen und soll 19,4 Kilo in Größe L wiegen. Zudem ist es, anders als die Carbonis, auch in Rahmengröße XS erhältlich, um sogar Kids ab etwa 120 cm Körpergröße den Einstieg in die Levo-Welt zu gewähren.

Am getesteten S-Works Levo SL ist alles vom Feinsten: Fox-Factory-Fahrwerk mit 34er-Gabel und Float-DPS-Dämpfer, Sram-XX1-Eagle-Schaltung, Sram-G2-Ultimate-Bremsen mit 200/180-mm-Rotoren, Specialized-eigene Carbon-Kurbel und -Laufräder sowie bewährt pannensichere und griffige Specialized-Reifen. Thema Räder und Reifen: Wie das Levo und das Stumpjumper rollt auch das Levo SL ausschließlich auf 29-Zoll-Bikes. Der Einbau eines 27,5-Plus-Hinterrad ist zwar theoretisch möglich, wird von Specialized aber nicht empfohlen. Ebenso ein Upgrade der Federgabel auf 160 mm statt 150 mm: passt, macht laut Hersteller aber wenig Sinn.

Wie von Specialized bekannt, kommt das Levo SL nur gegen Aufpreis mit einem Display (ist aber mit Garmin & Co. kompatibel), stattdessen hat die „Mission-Control“-App auf dem Smartphone eine wichtige Rolle inne. Zwar lässt sich das Levo SL auch ohne App betreiben, neben der Tourenanalyse verzichtet man dann aber auf die Möglichkeit, die Motorunterstützung anzupassen. Dabei gibt es neben einem Null-Modus ohne Motorleistung und einer Schiebehilfe drei klassische Modi: „Eco“, „Trail“ und „Turbo“. Standardmäßig bieten diese je 30, 60 bzw. 100 Prozent Unterstützung sowie Maximalkraft. In unserem Test haben wir den Trail-Modus aber beispielsweise via App so modifiziert, dass er dauerhaft nur mit 40 Prozent unterstützt, bei entsprechendem Pedaldruck bzw. entsprechender Trittfrequenz aber 100 Prozent – also 240 Watt – freigibt. Das ergibt dann ein sehr natürliches Fahrgefühl, etwa vergleichbar mit dem E-MTB-Modus eines Bosch-Motors. Ein weiteres smartes Feature der App ist „Smart Control“: Hier hat der Fahrer die Möglichkeit, die noch zu bewältigende Reststecke in Kilometern und Höhenmetern anzugeben – und die Software passt die Motorunterstützung so an, dass der Akku definitiv bis ins Ziel durchhält.

Erster Test: So schlägt sich das neue Turbo Levo SL auf dem Trail

Aber genug der langen Vorrede: Wie fährt sich das Levo SL? In einem Wort: Spitzenklasse. Den ersten Aha-Effekt hat man bereits, wenn man das Bike anhebt: Es fühlt sich einfach nicht nach E-MTB an. Eher wie ein dickes Enduro. Im Sattel dasselbe Gefühl: Alles geht einem leicht von der Hand, auch Bunny-hops, Jumps & Co. sind keine Schwerstarbeit wie bei einem klassischen E-MTB. Typisch Specialized, passt fast jedem Biker die Geometrie auf Anhieb wie angegossen. Die Längen und Winkel sind modern, aber moderat gewählt. So treffen beispielsweise 629-mm-Oberrohr und 455-mm-Reach am Größe-L-Rahmen auf einen 66°-Lenk- und einen 74,6°-Sitzwinkel. Extrem kurz fallen wie angesprochen die Kettenstreben aus: 437 mm sind am E-MTB phänomenal. Entsprechend agil, drehfreudig, ja direkt wuselig flirrt das Levo SL über den Trail – klasse! Im groben Bergab gefällt das stets souveräne, aktiv ansprechende 150-mm-Fahrwerk – auch wenn dickere E-MTBs mit massiveren Federelementen naturgemäß mehr Reserven bieten. Dank des vorzüglichen Handling und der schlau gewählten Parts kommt aber wahrlich nie Unsicherheit auf.

Etienne Schoeman / Specialized
Das Specialized Turbo Levo SL wuselt agil über die Trails.

Berghoch, also mit E-Zusatzfeuer, zeigt sich die Positionierung als „E-MTB-Halbling“ mindestens genauso deutlich wie bergab. Im Vergleich zu einem E-MTB mit Bosch-, Brose- oder Shimano-Motor muss man tatsächlich etwa doppelt so viel eigene Kraft investieren – die Wattzahlen lügen nicht. Lange, steile Anstiege erfordern also durchaus Schmackes in den Beinen, dafür ist das Trittgefühl extrem angenehm, zumal der SL-Motor über einen extrem breiten Trittfrequenzbereich von 10 bis 120 Kurbelumdrehungen pro Minuten gleich stabil unterstützt und der Schub äußerst fein dosiert einsetzt. Lediglich das hochfrequente Surren des Motors kann empfindliche Gehörgänge nerven.

Erstaunlich ist dabei der geringe „Durst“ des Motors. Bei unserer längsten Testfahrt in den Bergen Südafrikas (wohin Specialized die weltweite Presse zur Präsentation einlud) über mehr als 65 Kilometer und 1700 Höhenmeter verbrauchte die SL-Engine nur knapp 500 Wattstunden!

Bleibt die Frage, ob das Levo SL nun der ideale Kompromiss oder „nicht Fisch, nicht Fleisch ist“? MOUNTAINBIKE-Redaktionsleiter André Schmidt: „Für mich ist das Levo SL so etwas wie das ‚Missing Link‘ in der Geschichte des Mountainbikes, weil es sich fährt wie ein klassisches MTB – aber fast doppelt so viel Spaß in derselben Zeit erlaubt. Und selbst E-MTB-Gegner können sich kaum noch beschweren, weder über ein zu träges Handling, noch über zu wenig Wadeneinsatz des Fahrers. Wer das starke Anschieben moderner Full-Size-Motoren lieben gelernt hat, wird aber den ‚Bumms‘ dieser Aggregate vermissen.“

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Erscheinungsdatum 04.04.2023